Die Geschichte der Raben
Es gibt Geschichten in der Zeit unserer Welt die wir mit unseren Zeitreisenden Luftschiff mit Namen „Aera Hard“ befahren, die so unglaublich sind, dass selbst meine Crew und Ich manchmal nach Erlebten eine Weile brauchen um sie zu verstehen oder zu verdrängen. Jeder geht damit anders um, versucht zu verstehen, zu erklären in vielen Gesprächen oder zu vergessen. Dieses gelingt nicht immer und deswegen schlafen auch einige an Bord selten gut oder kippen sich dermassen Alkohol in den Schädel das wir alle Mühe haben jene an Bord zu bringen und in die Bilge zum ausnüchtern zu sperren ehe Schlimmeres geschieht.
Vorfälle habe ich genug zu verzeichnen und das Schweigegeld reicht manchmal nicht aus und ich bin gezwungen Ihn, den „Sir“, den Geist unseres Schiffes hinzu zu zitieren, damit er die Fehler beseitigt die seine Reisen eigentlich verursachen. Es widert mich jedes mal an ihn in solchen Fällen zu rufen, denn seine dann folgende Hybris ist kaum auszuhalten.
„Deine Mannschaft nicht unter Kontrolle mein kleiner Käptn?“ sind noch die höfliche Form seiner Arroganz.
Doch er wahr es der uns dem Tode entrissen hat und wir zum Teil des Schiffes wurden. Ein neues Leben, eine neue Chance bekamen. Denn faktisch gesehen sind wir alle schon lange Tot. Je nachdem in welcher zeitlichen Epoche der Welt wir uns gerade befinden. Eine paradoxe Vorstellung wenn man dort auftaucht und seine Urahnen vom Scheiterhaufen rettet, eine Liason mit seiner Urgrossmutter anfängt oder dem eigenen Vater in jungen Jahren das Geld aus der Tasche zieht, nur um verhindern das aus ihm ein anderer wird als er einen in die Welt gesetzt hat.
Und doch am Ende unserer Existenz, die auch uns definitiv ereilt, werden wir Vergessen und zum Staub in der Zeit. Keine Erinnerung an uns.
Ausser man ist jener der meine Geissel ist, mein Mahnmal und meine Bürde. Verschlossen und fern vom Deck und der Crew tief im Schiffsbauch.Dieser ist, ebenso wie der „Sir“ eines jener Misterien die ich bis heute nicht oder nur kaum verstehe. Wir erscheinen jenen ausserhalb der Zeit als Unsterbliche. Wir wurden zur Geschichte der Seefahrt und wir tragen mitsamt dieses Schiffes dazu bei ,dass wir nicht vergessen werden. „Das Geisterschiff“ „Der grüne Schein“ „Der Kraken“ sind nur einige Ausrufe die uns betiteln. Somit haben wir einen Teil von Unsterblichkeit, doch wir werden wieder um wieder, jeden Tag auf diesem Schiff daran erinnert das wir es nicht sind.
Bis auf den „Sir“ und Eckbert, meiner Geissel. Ihr altern und Geheimnis treiben mich Tag um Tag zum Wahnsinn. Während bei uns die Jahre sich abzeichnen, ist es so als würden bei den beiden nur Sekunden vergehen. Keine Gebrechen, kein Erkranken was unser Arzt „El Fuego“ behandeln muss, während unsere Spiegel mahnend und unbarmherzig erinnern.
Nun stand ich im kalten Morgengrauen auf Deck, sog die kalte Luft des Nordens ein und mein Geist erwachte langsam zum Leben. Die Kälte riss an meinen Knochen wie ein tollwütiger Hund den ich abschütteln wollte und so ging ich in Richtung des Bug unseres Schiffes. Meine Hände glitten über das hölzerne Geländer das sanft zu vibrieren begann. Ich lächelte und flüsterte ein „Guten Morgen Kleines“ in das Morgengrauen, welches prombt durch einen warmen Schauer beantwortet wurde der durch die Planken hinauf meinen Körper in eine warme Decke hüllte. Das kam von ihr, seiner Tochter, Ich hatte das Innere des Schiffes und ihr Herz betreten nur um jene Wahrheit zu erfahren die mir noch nützlich sein sollte. Diese Gedanken rissen mich für einen Moment fort und so hätte ich fast nicht jene Gestalt bemerkt, während ich weiterging, die sich ebenso den Bug auserkoren hatte nur um auf jene Küste zu schauen die sich langsam aus den Nebeln heraus uns offenbarte.
Noch Gute zwanzig Schritte trennten mich von ihm und für einen kurzen Moment kam mir der Gedanke ihn genau hier und jetzt loszuwerden. Ein kurzer Schubs und ich war ihn los. Niemand würde sein Verschwinden bemerken und er wart in den Tiefen des Meeres verschwunden. Ich duckte mich hinter den Frachtkisten aus seinem Blickfeld und verharrte im Moment dieser Gedanken, als jene rapide unterbrochen wurden durch ein kleines Mädchen das mit nackten Füssen über das Deck und den dunklen Holzplanken flitzte.
„Du kleines Biest!“, zischte ich vor nun aufkommender Sorge das sie sich erkälten würde, als ich meine eigene Tochter erkannte die bei der Gestalt angekommen, deren Hand ergriff und er sie auf die Reling hob und ihr ein schweres Fell um den Körper legte, das er sich ausgezogen hatte. Wie oft haben wir sie schon gemahnt nicht alleine zu früher Stunde auf dem Schiff zu wandeln und in ihrem Bett zu bleiben bis wir sie holen würden.
Piraterie ist nichts für Kinder doch sie ist hier geboren und es war uns nicht möglich sie an Land gross zu ziehen. Uns ist es nicht erlaubt lange in einer Epoche zu verweilen da die Konsequenzen Auswirkungen auf die Weltgeschichte haben kann. Diesen Vorfall ist uns schon widerfahren und wäre Eckbert nicht gewesen hätte es Schlimmer enden können. So habe ich nun zwei Altgediente Piraten auf meinem Schiff, seiner Tochter.
Ich schnaufte wütend und setzte gerade an mich aufzuraffen um Lilly wieder ins Bett zu bringen als ich mit Schrecken sehen musste wie Eckbert und Lilly sich beide auf der Reling aufrichteten, ihre Arme ausbreiteten und wie wild damit zu rudern, so als hätten sie Flügel bekommen.
„Jetzt hol tief Luft Kleines und mach es mir nach.“
Aus Eckberts Kehle erklang ein Ruf der wie Rabengeschrei klang. Vier starke kurze Krächzer die mich erschauern liessen. Es klang wie ein Rabe nur lauter und grollender. Lilly versuchte mit ihrer hellen Stimme es ihm nach zu tun aber es war zu schrill und klang eher nach Möwengejammer als nach einem Raben.
„Nochmal!“, forderte Eckbert sie auf und sie gellte wieder völlig daneben. Sie liess ihre Arme hängen. „Ich kann das nicht.“, fauchte sie trotzig und kletterte die Reling herunter. „Das ist blöd.“, schmollte sie, „du hast gelogen. Ich bin kein Rabenkind.“
Eckbert stand immer noch auf der Reling und kniete sich hin. „Das hat Luna auch immer zu mir gesagt und nach vielen üben war sie die schönste Rabenkönigin die wir alle gesehen haben.“
Luna?
Ich hockte mich wieder hin. Verharrend in den Schatten der Frachtkisten die auf dem Deck herum standen. Dieser Name war mir nicht geläufig, geschweige denn das ich etwas von einer Rabenkönigin gehört habe.
Lilly hatte den Kopf schräg gelegt und Eckbert , immer noch auf der Reling hockend blickte sie ebenso an. „Wie alt war sie als sie das konnte, Eckbert?“ Er holte hörbar schwer Luft, das spürte ich. Luna musste für ihn was besonderes gewesen sein.
„Eine Winzigkeit älter als du und all die anderen Raben war so voller Stolz das sie von uns als ebenbürtig erkannt wurde. Die jüngste der Raben die mir ebenbürtig war.“
„Aber ihr wart doch eigentlich gar keine Vögel, sondern Menschen, hast du gesagt die in einem anderen Leben durch die Städte gezogen sind.“
Eckbert lachte leise.
„Ebenso wie die Raben, durch die Lande ziehen um zu überleben. Einige bleiben an einem Ort, doch andere ziehen in Gruppen umher. So waren wir und so lebten wir. Wir lebten unser Leben und es war ein Gutes. Manchmal hart und nie leicht, Lilly, aber wir waren Frei. Ist es nicht das was eigentlich uns ausmacht? Wir sind Frei, keine Regeln halten uns und niemand schreibt uns was vor.“
Ich schluckte gerade und Zorn stieg in mir auf, während all unsere Erziehungsversuche an Lilly, durch seine Worte gerade zerschlagen wurden. Dieser Mistkerl!
„Ja Frei sein ist gut,“, jubelte Lilly und ich stöhnte auf.
Das muss jetzt aufhören.
„Aber so ganz ohne ist es gefährlich wenn keiner aufpasst“
Ich schluckte. Hat sie das jetzt gesagt? Ich konnte es kaum glauben.
„Wenn man soviel unterwegs ist und doch immer auf sich aufpassen muss das man nicht gefangen und eingesperrt wird, da hat man doch bestimmt viel zu beachten? “
Eckbert seufzte schwer: “Du bist ihr so ähnlich, fast so als wenn Luna gerade mit mir spricht. Sie war klug, das hatte sie von Leonora.“
Leonora? Noch ein Name.
„Vermisst du sie?“, fragte Lilly und trat an Eckbert näher heran der von der Reling hinab gestiegen war und nun wieder Richtung Küste blickte.
„Würdest du die Sonne vermissen, wenn du weisst das sie nie wieder für dich scheinen wird?“
Lilly seufzte. „Ja das würde ich. Nur Dunkelheit macht krank.
„Würdest du die Wärme vermissen wenn sie verschwinden würde?“
„Ja das würde ich.Dann wäre es nur noch kalt in mir.“
Lilly hatte verstanden und ich ebenso.
Während sie ihn an seiner Hüfte drückte starrte ich auf die glänzenden Planken.
„Sie war ein weisser Rabe, Leonora der weisse Rabe.“, flüsterte Eckbert.
„Ein weisser Rabe?“, flüsterte Lilly erstaunt, „sowas gibt es?“
Eckbert drehte sich zu ihr herum und setzte sich auf die Planken und Lilly tat es ihm gleich.
Er holte tief Luft. „Die weissen Raben sind selten und wer sie sieht hat für sein ganzes Leben lang Glück und Frieden. Sie gab es lange vor uns Menschen.“
„Aber Raben sind schwarz Eckbert und einen weissen Raben habe ich auch noch nicht gesehen.“
Eckbert lachte. „Weisst du warum die Raben jetzt schwarz sind?“
Lilly schaute neugierig. „Erzähl.“, forderte sie ihn freudig auf.
Sie mochte seine Geschichten.
Er hatte viele davon und immer wenn ihre Eltern sie und die anderen Kindern zu Eckbert schickte, sass er mit Ihnen tief im Bauch des Schiffes auf den grossen Kissen mit all den Öllampen und erzählte von all den Abenteuern die er schon erlebt hatte. Als Nordmann, als Söldner oder als ein Reisender aus dem Orient.
Sie waren lustig und es gab immer viel zu lachen, denn Eckbert war immer tolpatschig und frech in den Geschichten.
„Du erinnerst dich doch das ich Dir erzählt habe woher ich komme, oder?“
Lilly nickte zustimmend. „Und du weisst wer mein Vater war?“ Wieder nickte sie.
„Gut. Dann muss ich nicht zuviel erklären.“
Ich lauschte auf. Er hat Lilly erzählt woher er stammt.
Eckbert räusperte sich und holte tief Luft:
“ In einer Zeit als die Götter diese Welt regierten und die Menschheit langsam heranwuchs, sass Allvater Odin auf seinem Thron , betrachte die Neun Welten durch sein allsehendes Auge und rief nach seinen Boten. Die weissen Raben Hugin und Munin. Freudig, dass er sie gerufen hatte, flogen sie aufgeregt flatternd durch den riesigen stolzen Thronsaal in Asgard, der Heimat der Götter bis sie sich auf seine Schultern setzten. Hugin rechts und Munin links.
Odin der Vater aller Götter und ein mächtiger Kriegerhäuptling bat sie nach Midgard , dass ist unsere Welt, zu reisen um in Erfahrung zu bringen was die Menschen denn so denken und ob die Gerüchte stimmen das alle in Frieden leben.
Allvater Odin sorgte für jenen auf Ygdrasil dem Weltenbaum. Heimdal der Wächter aller neun Welten, sah zwar alles von Asgard aus aber Gedanken blieben ihm verborgen.
Hugin und Munin hatten verstanden und stiessen sich von Odins Schultern ab um über die Regenbogenbrücke nach Midgard zu reisen. Sie flogen so schnell wie ihre Schwingen sie vorantrugen und wenn nun ein Mensch zwischen den Wolken hätte hindurchblicken können, dann hätte er zwei weisse Raben erblickt und das Glück wäre ihm von nun an gewogen gewesen.
Sie flogen über die Dörfer und sahen auf den Feldern lachende Menschen die nichts böses dachten geschweige denn erzählten. Mit diesem Wissen machten sich beide wieder auf und flogen nach Asgard zurück und erzählten Odin was die Menschen dort so in ihren Gedanken mit sich trugen.
Odin war erfreut darüber dies zu hören und bat sie ein weiteres mal nach Midgard zu fliegen.
Hugin und Munin taten am nächsten Morgen erneut ihren Dienst. Sie flogen sehr schnell über die Dörfer hinweg, die sie ja schon besucht hatten, sahen die lachenden Menschen auf den Feldern und überflogen die glücklichen Menschen auf den Feldwegen wo sie mit Pferd und Kutsche unterwegs waren und näherten sich einer Stadt.
Sie liessen sich auf den Dächern der Häuser nieder und lauschten den Gedanken auf dem unter ihnen liegenden Marktplatz.
Lachen und Glück drang zu ihnen hinauf und erneut machten sich Hugin und Munin auf Odin zu berichten. Die Menschen sind voller Glück und kein Gram liegt in ihren Herzen.
Doch Odin schien nicht zufrieden und erneut Tag um Tag schickte er Hugin und Munin nach Midgard um die Gedanken der Menschen zu erfahren.
Bei beiden Raben kamen Zweifel auf und es stellte sich so langsam in ihnen die Frage was Odin denn wissen wollte. Sie liebten ihren Herrn und wollten das er zufrieden ist. Als sie wieder einmal in Midgard waren und unzählige Dörfer besucht und Städte gesehen hatten, liessen sie sich erschöpft vom ganzen Fliegen auf einen Baum nieder. Steckten ihre Schnäbel unter ihren Flügel und schliefen ein.
Die Sonne verliess den Himmel und machte Platz für die Dunkelheit.
Die Menschen gingen von den Feldern und Marktplätzen hinein in ihre Behausungen und Kammern.
Erschrocken durch Hugins Gekrächze erwachte Munin und wäre fast vom Ast gefallen als auch er erkannte warum Hugin so aufgeregt war. Die Nacht war herein gebrochen und Midgard hatte sich verändert. Sie kannten es ja nur bei Tag und so stoben beide hinauf in den Himmel und suchten den Weg zurück nach Asgard. Sie schlugen schnell mit den Flügeln, ahnend das Loki sie beobachtete, in welcher Gestalt auch immer. Er durfte sie nicht bekommen den er trachtete nach Odins Thron und so flogen sie tiefer unter den Wolken hindurch, ganz nah über den Dächern der Dörfer und Städte. Die Gedanken der Menschen drangen zu ihnen hinauf, doch diesmal waren sie anders.
Sie flüsterten nichts Gutes und wähnten sich in Neid und Missgunst ihrer Nachbarn. In Panik suchend den Weg nach Asgard findend erschien es ihnen wie eine halbe Ewigkeit und beinahe am Ende ihrer Kräfte erreichten sie die Regenbrücke und kehrten erleichtert nach Asgard heim. Sie flogen geschwächt durch den riesigen Thronsaal und liessen sich auf Odins Schultern nieder. Sie wollten gerade ansetzen zu berichten was sie in der Nacht erfahren hatten, doch Odin winkte dankend. Er brauchte keine Berichte seiner Raben mehr denn ihr Gefieder,dass sich durch die schlechten Gedanken der Menschen bei Nacht schwarz gefärbt hatte, verriet ihm genug. Seit jener Zeit sind nun alle Raben schwarz und solltest du einen weissen Raben erblicken dann erfreue dich über das Glück das dir widerfahren ist.“
Was für eine Geschichte. Ich setzte mich erstmal tiefer in die Schatten der Frachtkiste und atmete durch. Während Eckbert nämlich erzählt hatte , veränderte sich das Schiff und liess um ihn und Lilly herum, seine Worte Gestalt annehmen. Ich sah den Thronsaal von Asgard, Odin selbst und die Raben, nebst den mir augenscheinlich partiell bekannten Gesicht seines Widersachers Loki. Doch so schnell wie die Bilder seiner Geschichte gefolgt sind verschwanden sie auch wieder. Lilly und Eckbert sassen sich ruhig gegenüber. Dann hörte ich Lilly fragen was aus ihnen geworden ist.
Eckbert holte erschrocken tief Luft. Sie hatte ihn aus seinen Gedanken gerissen. Er war wohl noch sehr weit weg gewesen.
„Aus wem Kleines? Hugin und Munin?“
„Nein Eckbert. Das weiss ich schon. Sie fliegen im Geist ihrer Nachkommen immer noch durch die Welt. Ich rede von euren Raben. Die von Leonora, Luna und Dir.“
Eckbert erhob sich schwer atmend und richtete sich vor Lilly auf, die am Boden sitzend ihn aus neugierigen Augen ansah.
Er schien zu überlegen. Ich sah das er angespannt war.
„Sie hatten ein gutes Leben und wir erlebten viele Abenteuer miteinander und ich denke das sollte Dir erstmal reichen. Die Sonne steigt gleich auf und wir beide müssen zurück, ehe es richtig Ärger gibt.“
Der Hund redet sich raus!
Seine Anspannung war bis hierher fühlbar und ich sah Lilly an das sie wusste das er sie gerade anlog.
Sie stand auf, nahm sein Fell ab und gab es ihm zurück. Dann legte sie ihren Kopf schräg: „ Bald bin ich alt genug. Dann will ich Antworten!“
Eckbert lächelte sie an, strich ihr über den Kopf.“ Ebenso wie meine Luna wirst du die Antworten bekommen. Doch jetzt war all das nur ein Traum.“ Lilly sackte plötzlich zusammen und er fing sie auf, hob sie in seine Arme und schritt über das Deck hinauf zu unserer Kabine.
„Zu Jung noch um zu verstehen was er wirklich ist, deine kleine Tochter.“
Ich wirbelte auf der Stelle herum wo ich gerade daran war Eckbert zu fassen um ihm Lilly zu entreissen. Egal welchen Trick er gerade angewendet hatte um sie in den Schlaf zu schicken, es widersprach mir und er sollte dafür büssen.
Es war der Sir, wieder einmal trat er aus den schwindenden Schatten des Schiffes und hielt mich zurück. Seine Stimme klang kalt und emotionslos.
„Wie lange bist du schon hier?“, zischte ich ihn wütend an.
„Lang genug um dich daran zu hindern bei dem was du gerade vorhattest. Er gehört mir und egal welchen Groll du gegen ihn hegst, erspare ihn Dir.“
Wieder diese Arroganz, wieder dieses herablassende und erneut drohte er mir. Ich blickte ihn starr an und er tat es mir gleich. Die Spannung war fühlbar und das vibrieren des Schiffes durchfuhr meinen Körper.
„Beherrsche dich Käptn.“ , hallte es in meinem Kopf. „Eckbert brachte ein Opfer das ihn bis heute zu dem erscheinen lässt wie du ihn heute siehst. Du willst Antworten, ihn verstehen?“ Seine Stimme in meinem Kopf. Erneut, wie damals und heute wenn er unten, tief im Bauch des Schiffes, mich in seine Räume zitiert. Für die Augen der Crew ist er ein Geist, er bewegt sich in den Schatten, zu jeder Zeit und wird nur von jenen gesehen denen er schon vor die Augen getreten ist. Noch eine Fähigkeit die mich um den Verstand zu bringen vermag.
„Ein Opfer sagst du?“
„Ja.“, seine Stimme klang genervt. Einen Moment den ich nur zu gerne auskostete.
„Solange ich ihn kenne verbreitet er nur Chaos und bringt meine Crew, meine Frau und nun auch meine Tochter in Gefahr. Es reicht mir mit ihm und an meiner Entscheidung wirst auch du nichts ändern. Er wird das Schiff verlassen. Das gerade war der letzte Tropfen.“, zischte ich ihn an.
Unter dem Schatten seiner Kapuze , die stets sein Gesicht hinter der Halbmaske noch zusätzlich verdeckte glimmten seine Augen auf. Ein leichter roter Schein, den ich zu glauben sehen dachte, was aber auch an der aufkommenden Morgenröte liegen könnte die sich nun auf dem Deck des Schiffes ausbreitete. Morgengrauen. Der magische Moment auf jedem Schiff.
„Willst du es sehen?“, fragte er.
„Was will ich sehen. Das er vom Schiff verschwindet? Oh, ja! Das will ich sehen.“
Der Sir lachte leise. „Nicht das du Dummkopf. Sein Ende und dessen Folgen.“
Nun lag es an mir verdutzt zu sein. Sein Ende?
Der Sir holte seinen Stab unter dem Mantel hervor und hob ihn leicht in die Höhe, gute zehn Zentimeter über den Planken. Der Knauf des Stabes pulsierte grün schimmernd. Dieses Licht erkannte ich und Erinnerungen aus dem Schützengraben der beinahe mein Grab geworden wäre erhoben sich erneut in mir.
„Sag es!“, befahl er.
Ich zögerte. Meine Gedanken schweiften ab zu meiner noch schlafenden Frau in der Kabine, meine Crew die bald ihre Knochen in den Hängematten gierend nach Molars Kaffee recken würde und meiner kleinen Tochter die hoffentlich in ihrem Bett nun lag. Wut ergriff mich das Eckbert dies zuzuschreiben war und ich antwortete:
“Bringen wir es zu ende!“
Das Herz des Schiffes schlug hart in meinen Ohren und als der Sir seinen Stab auf die Planken stiess gab es einen Lichtblitz der mich für einen kurzen Augenblick fast von den Füssen riss. Ich sah seine Augen unter der Kapuze die zu brennen schienen.
„Verdammt!“, schrie ich auf. „Du und deine verdammten Tricks.“ Ohrenbetäubendes Gejohle und Wutgeschrei gellte jetzt zusätzlich in meinen Ohren und an meinem Kopf flog ein Stein vorbei.
„Was ist jetzt wieder?“. Ich wirbelte herum um den Steinewerfer eine Abreibung zu verpassen als ich hart beiseite gerissen wurde in den Schatten einer Gasse die zwischen zwei Häusern lag.
Die Luft roch erbärmlich nach Fäkalien und altem Schweiss vieler Menschen die dichtgedrängt auf einem Marktplatz standen , den ich nun erkannte. Meine Augen hatten sich von dem grellen Licht erholt und mehr um mehr wurde die Szenerie klarer. Verdrecktes Steinpflaster unter meinen Füssen, die Menschen in bäuerlicher Kleidung die ihre Fäuste gen Richtstätte richteten und ihre Wünsche nach Tod zwischen ihren fauligen Zähne hindurch schrien.
Ich blickte ebenfalls in dessen Richtung und sah das sieben Gefangene dessen Köpfe unter Kapuzen steckten unter den Galgenschlaufen gestossen wurden. Mit Schrecken sah ich das wohl auch unter ihnen ein Kind dabei war. Nicht viel grösser als Lilly heute ist.
„Egal was du jetzt fühlst, du greifst nicht ein!“
Der Sir legte seine Hand auf meine Schulter und hielt meinen Willen nach vorne zu stürmen um Schlimmes zu verhindern fest in seinem Griff. Ich war wie gelähmt, keine Bewegung war möglich.
„Warum zeigst du mir das und wo sind wir?“, zischte ich.
„Du wolltest es. Ich hab dein Verlangen nur dahin gebracht wo du es zu stillen vermagst. Eckberts Ende. Hier sind wir nun.“
Ich starrte auf den Scharfrichter der nun das Schafott betrat und er gönnerhaft beide Arme in die Luft hob um das johlende Volk zu beruhigen um sich Gehör zu verschaffen. Ein fetter Kerl dem ich jetzt gerade allzu gern an die Kehle wollte.
„Volk von Hamburg schweigt!“, bellte er über die Köpfe hinweg. „Am vierten Tage des achten Monats im Jahre unseres Herrn 1284 werden wir nun über jene Sieben hier richten. Sie werden des Diebstahles verschiedener Güter beschuldigt, der versuchten Entwendung eines Handelschiffes, dem Plündern der Kornkammer.......“
„Bleib bei der Wahrheit du Fettsack und erzähl ruhig das auch du hier hängen müsstest weil du dich an einem Kind vergangen hast.“
Ich zuckte zusammen. Die Stimme kam aus der Mitte der Gefangenen. Konnte es sein? Ich starrte auf ihn. Dunkle Hose, zerfetztes Leinenhemd das blutgetränkt von Peitschenhieben schien.
Der Scharfrichter wirbelte herum und wies den Henker an sich darum zu kümmern. Ein grosser Kerl der dem Gefangenen die Kapuze vom Kopf riss und seine Faust in dessen Gesicht krachen liess.
Ich erschrak.
„Noch irgendwelche Lügen Rabenvater?“, feixte er.
Es war Eckbert!
Die Schlinge um den Hals und seine Hände auf den Rücken gebunden.
Von dem Schlag hart getroffen spuckte er Blut auf den Boden vor die Füsse des Richters und lachte. „Bind mich los Fettsack und ich lass dich dein kümmerliches Gemächt fressen.“
Die anderen Gefangenen kicherten heiser.
Erbost über diese Dreistigkeit ihn im Angesicht des sicheren Todes noch zu beleidigen schnappte er nach Luft.
Eckbert lachte weiter. Er schaute nach oben: “Wir kriegen jeden von euch. Jetzt oder im nächsten Leben.“
Der Sir lachte ebenfalls. „Ich liebe diese Stelle.“
„Was geht hier vor?“
„Hast du nicht zugehört mein kleiner Käptn?“
„Doch habe ich aber was soll das?“
„Das dort oben auf dem Schafott sind Eckberts Raben, ausser der Kleinen dort. Das ist ein nun unbequemes Opfer des Scharfrichters, die hilfesuchend sich an Eckbert gewandt hatte und er dem Scharfrichter einen Besuch abgestattet hat und mit seinen Raben knapp dreissig Mann erledigt hat. Blutig und Brutal aber in Eckberts Augen nicht ausreichend genug da die Kleine rumgereicht wurde.“
Mir wurde schlecht und Wut kam auf.
Eckbert stand nur da oben weil er ein Kind rächen wollte das sich nicht wehren konnte. Eine weitere Frage hämmerte mir durch den Kopf die aber von ihm vorahnend beantwortet wurde. „Nein. Sie sind nicht dabei. Leonora, Eckberts einzig geliebte Frau und Luna seine Tochter sind fern von hier. Dafür hat er gesorgt denn er ahnte den Ausgang dieser Aktion. Der Nachteil ist nur das es ein Abschied für immer wahr den er bis heute nicht verwunden hat.“
Ich atmete durch und mir wurde klar was der Sir eben auf Schiff mit Opfer meinte.
„Dann tu was!“
Wieder lachte er leise.
„Du begreifst es immer noch nicht oder?“
Was soll ich hier begreifen?
Ich wollte ihn darunter holen. Meine Meinung über ihn war schlagartig gewandelt. Dies durfte nicht passieren.
„Und doch wird es das.“, klang die Stimme des Sir in meinem Kopf.
„Euer vorlautes Maul wird euch nicht mehr retten Rabenvater. Das waren eure letzten Worte.“, brüllte der Scharfrichter und gab dem Henker das Signal den Hebel für die Falltüren zu ziehen.
Eckbert riss seinen Kopf nach hinten und die anderen Gefangenen taten es ihm gleich. Unter den Kapuzen und aus Eckberts Mund erklangen , ehe die Schwerkraft sie fallbedingt nach unten riss, zwei laute Rufe die wie Rabengeschrei klangen. Von den Dächern über dem Marktplatz erhob sich ein riesiger Schwarm von Raben der zunächst kreiste und sich dann zu einer riesigen Wolke formierte. Mehr um mehr Raben sammelten sich und aus der Wolke darüber stiessen drei weisse Raben durch den Schwarm hindurch auf den Marktplatz zu. Der ganze Platz war nun in Flügelschlag und Rabengeschrei getaucht und die Menschen rannten in Panik davon oder warfen sich schutzsuchend auf den Boden.
Der Sir zog mich tiefer in die Gasse und hielt seinen Stab , der nun vollends grün leuchtete wie ein Schild vor uns. Die Vögel waren in Rage und ich sah durch den heftig kreisenden Schwarm hinauf zum Schafott und sah wie der Scharfrichter um sich schlagend am Boden lag und die weissen Raben ihm die Augen bei lebendigen Leib aushackten, Sein Schreien erstickten in dem Gekrächze des Schwarms und als die weissen Raben sich erhoben war der Spuk auch wieder schlagartig vorbei.
Sie stoben hinauf in den Himmel und verschwanden über den Dächern.
„Was war das?“, rief ich erstaunt.
Der Sir schnaufte leise und steckte seinen Stab unter den Mantel. „Etwas das ich bis heute nicht verstehe mein kleiner Käptn.“ Er machte sich auf und meine Starre löste sich. „Komm mit. Ich hab noch etwas zu erledigen. Erneut.“
„Moment was?“
Der Sir schüttelte nur den Kopf und ging hinauf zum Schafott.
Er zog einen Dolch unter seinem Mantel, schritt an dem wimmernden sich vor schmerzen jammernden Scharfrichter vorbei und hieb die Seile durch an deren Ende die Gehängten und Eckbert sich befanden.
Klatschend und leblos fielen sie zu Boden.
Ein schauriger Anblick doch es waren nur sechs. Das Kind war fort, denn an dessen Stelle baumelte nur eine leere Schlaufe.
„Sir?“, meine Hand wies auf das Seil.
Er drehte sich herum und dieses mal sah ich richtig. Seine Augen brannten wie Feuer.
„Ich sagte doch schon eben das ich dies,“, er wies ebenfalls in die Richtung,“ bis heute nicht verstehe.“
Er klang ziemlich wütend darüber. Dann stiess er den Dolch mit aller Kraft in den Schädel des Scharfrichters. Es knackte und er spaltete sich. Seelenruhig zog er den Dolch wieder hinaus, wischte ihn an der Kleidung des Richters ab und steckte ihn wieder unter den Mantel.
„Ich hasse es wenn sie jammern. Dumme Affen!“
Ich beugte mich über die Gehängten und griff nach einer der Kapuzen. Wer sie wohl waren? Schlagartig wurde ich zurück gerissen. „Das was nun geschieht ist nicht für deine Augen bestimmt. Zuviel Wissen würde dich wahnsinnig machen.“ Eiseskälte durchfuhr meinen Körper bei seinem Stoss und mir wurde Schwarz vor Augen.
„Man man man Käptn das muss ja ordentlich weh getan haben so wie das gerummst hat.“
Eckberts kratzende Stimme riss mich aus der Dunkelheit und mit dröhnenden Kopf starrte ich ihn am Boden liegend an. Er hockte über mir und grinste.
„Was zum Teufel?“, keuchte ich und ein betäubender Schmerz an meinem Kopf liess mich zusammen fahren. Ich hatte eine blutende Wunde.
„Windstärke Acht und rutschiges Deck. Da kann so ein Mastbaum schneller auf einen zukommen als einem lieb ist.“
Eckbert hob mich auf die Füsse, klopfte an meinem Mantel herum. Es war mitten in der Nacht und die Eiseskälte die übers Deck fegte, liess mich erschauern. Der Bug lag unweit vor mir.
„Wo ist Lilly?“
Eckbert schien verwundert.
„Scheint wohl doch mehr Schaden in deinem kappes verursacht zu haben als das Hörnchen da oben.“ , er zeigte auf meine Stirn.“ Hier ist keiner ausser uns beiden und ausserdem gehört die Kleine ins Bett und nicht zu dieser Zeit auf dem Schiff. Seltsame Dinge gehen hier vor in der Nacht. Das müsstest gerade du als Käptn am besten wissen.“
Meinen Kopf vor Schmerzen haltend blickte ich Eckbert an. War das ein Traum oder war es Wirklichkeit? Der Hass ihm gegenüber war verschwunden. Seine Augen schienen klar zu sein also spielte er seine Rolle des betrunkenen Trottels. Die Plage der Meere. Der Pirat unter Piraten der auf keinem Schiff sein darf.
„Denkst du oft an Sie?“
Ich forderte es heraus.
Eckberts Gesicht wurde starr.
„Erwischt Eckbert!“, triumphierte ich innerlich.
Er holte tief Luft, sein Blick lag fest auf mir.
„Weniger oft als ich müsste aber mehr als es gesund für mich wäre Käptn. Du solltest das was du hast lernen schätzen zu wissen. Es gibt nur die eine Wahre. Denn dank deiner Order und Misstrauen bin ich nicht mehr so oft in eurer Nähe um das zu tun was ich Luna versprach ehe sie in meinen Armen starb.“
Seine Stimme klang leise aber ich hatte verstanden.
„Das Mädchen? Was geschah mit ihr?“
Eckbert legte den Kopf schräg und grinste.
„Sie hat ihre Rache am nächsten Tag bekommen plus ein paar weitere die zur falschen Zeit am richtigen Ort waren.“
„Was ist geschehen?“ fragte ich.
„Das mein guter Käptn kannst du nachforschen aber der Fünfte August 1284 war ein sehr heisser Tag.“ Er lachte heiser.
Wer sie war wollte ich weiter wissen und was er mit Versprechen gegenüber seiner Tochter Luna meinte doch er lehnte winkend ab.
„ Das sage ich Dir wenn du bereit dafür bist. Eines Tages wirst du es erfahren und nun zum Doc, sonst hat die Crew gleich mehr zu schrubben als ihr lieb ist. Der Morgen graut und sie erwachen bald.“ Er legte seine Hand fest auf meine Schulter und mit der anderen wies er zum Horizont und der erste Schein der Sonne tauchte darüber auf.
Ich drehte mich herum. Eine Frage hatte ich noch aber die Stelle wo Eckbert gestanden hatte war leer. Ich stand allein auf Deck mit noch mehr Fragen als ich vorher hatte.